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Dienstleistung muss sich wieder lohnen!

Eingetragen am 2004-07-05 19:50 von Thorsten Sommer unter #andererseits.

Passend zur Meldung, dass die Bundesbürger seit den Sechziger Jahren nicht mehr Geld für das Essen ausgeben, kommt der Verweis auf mögliche Low-Cost-Strategien im Dienstleistungsbereich:

Wurden in den Siebziger Jahren nur 20% des Bedarfs mit Billigstprodukten abgedeckt, machten diese Mitte der Achtziger bereits ein Drittel aus. Heute jagt mehr als jeder Zweite - unabhängig von seinem Einkommen - nach Schnäppchen.

[ via: Gourmet Report ]

Und ich stelle wieder die Frage: Ja? Wirklich? Ist das so?

Ok, ok, den Jäger- und Sammler-Trieb tragen wir seit Jahrtausenden mit uns herum. Und ich freue mich auch, wenn ich mal eine Kleinigkeit sehr preiswert erwerben konnte. Aber eine generelle Schnäppchen-Jägerei? Wenn dann doch in erster Linie aufgrund der aktuell schlechten, wirtschaftlichen Situation. Oder nicht?

Also wollen einerseits alle alles immer billiger haben, immer weniger Geld ausgeben, immer weniger einkaufen. Andererseits aber auch mehr verdienen (bzw. weniger arbeiten), mehr erreichen, mehr konsumieren, sich mehr verwöhnen lassen wollen. Für mich ein unauflösbares Paradoxon.

Meiner Meinung nach geht es uns in Deutschland im Durchschnitt einfach immer noch zu gut. Es ist noch nicht (wieder) soweit, dass wir die Ärmel hochkrempeln, in die Hände spucken und loslegen. Im Moment sind wir eher in der Jammer-, Ächz-, Wehklag-, Selbstbemitleidungsphase. Die wird wohl auch noch ein bis zwei Jahre dauern. Erst dann werden wir wieder merken, dass wir uns nur selbst helfen können und das Fingerzeigerei (auf Politiker, die Wirtschaft, überhaupt auf alle anderen, außer auf uns selbst) nichts bringt. Aber ich schweife vom Thema ab.

Wie lange können wir uns also Low Cost noch leisten? Und wann begreifen wir, dass niedrige Kosten an der einen, hohe an anderer Stelle zur Folge haben? Bestes Beispiel ist der Technikbereich: Computer bekomme ich heute im Supermarkt wirklich billig – aber die notwendige Beratungsleistung (Was bringt mir so ein Teil, was will/kann ich damit machen und wie?) wird weder verlangt noch angeboten, weil (angeblich) zu teuer. Gleichzeitig jammern alle, dass sie mit den Dingern nicht umgehen können. Döööt! Was fehlt ist – genau – die passende Dienstleistung.

Lange Rede, kurzer Sinn: Low Cost im Dienstleistungsbereich ist für mich der Widerspruch schlechthin. Denn Dienstleistung bleibt auch zukünftig – nein, nicht teuer – wertvoll. Und für wertvolle Dinge sind entsprechende Preise zu bezahlen. Produkte werden sich auch zukünftig verbilligen (sowohl im Einkauf, als auch im Verkauf). Dienstleistung wird im Preis, aber auch im Ansehen steigen. Und das nicht nur, weil der Dienstleistungssektor derjenige sein wird, der Deutschland wieder nach vorne bringt.

Jedenfalls dann, wenn wir alle es endlich begreifen und wie oben gesagt (wieder) mit anpacken. Wir brauchen Dienstleister und auch solche, die Dienstleistung anerkennen (können).

Hausaufgabe: Genau in diesem Moment umgeben Sie viele Dienstleister im eigentlichen Sinne des Wortes. Übung zu Positive Verstärkung durch Anerkennung: Wir bedanken uns bei und loben heute im Laufe des Tages mindestens einmal den wirklich guten(!) Verkäufer, die nette Thekenkraft, die hilfsbereite Bankberaterin oder den Lehrer unserer Kinder. Das ist ganz einfach und tut nicht weh. Und jetzt alle zusammen.

 

Zwei Kommentare:

Ganz so einfach ist das aber nicht.
IT-Dienstleister haben während des Hype eine ganze Menge verdient. Klar, sie haben den Kunden beraten,
ihm gesagt, dass er die neuste Software braucht,
das dahin noch ein schickes Design muss, und dort drüben noch eine super Flash-Animation.
Der Kunde hat nicht gespart, weil er an den Erfolg glaubte und war bereit, fast jeden Preis zu zahlen.

Nun sieht es andersherum aus. Der Kunde versucht den günstigsten Designer/Programmierer zu finden, und schon gibt es Auktionsbörsen, wo Dienstleister um Jobs bieten. (www.undertool.de oder www.suchbrett.de )

Das ist die Kehrseite der Medaille. Oder nicht?

Ja, und Nein.
Qualität hat Ihren Preis. Darin stimme ich Dir vollkommen zu. Und gute Beratung und Schulung muss entsprechend bezahlt werden.
Aber was die entsprechende Bezahlung ist, bestimmt doch letztendlich der Markt.
Genauso, wie der Markt vorgab, dass jeder Anfänger, der sich Webdesigner nennt, mal kurzerhand einen 100 Euro Stundenlohn nehmen konnte.

Wenn die Leute sehen, dass die Suche nach Schnäppchen nur dazu führt, dass sie minderwertige Qualität bekommen, dann wird die notwendige Trendwende kommen, und man den Dienstleistern (den guten) wieder den entsprechenden Preis zugestehen.
Sollte man feststellen, dass Schnäppchen die gleiche Qualität aufweisen, wie teure Produkte, dann:
Juche !!! ;)))

Michael, 2004-11-01 18:45

Trackback: Vom Unglück der Besten ] Gerhard Retter wurde vom Gault Millaut zum Maitre des Jahres 2005 gekürt. Leider kenne ich den Herrn nicht, aber ich gehe davon aus, dass er etwas von seinem Job versteht. (Ich selbst hatte vor einiger Zeit die Ehre einen anderen genauso gewürdigten Herre

Speisekarten-Blog, 2005-12-21 22:35